KATARÍNA DUBOVSKÁ

 



[...] Das zeitgenössische Arbeiten mit der Fotografie schließt derzeit ein Nachdenken über das Medium selbst ein. Mit dem Einzug des Digitalen erweitern sich nicht nur die Materialien und Aufzeichnungsmöglichkeiten, es verändert sich auch die Wahrnehmung des Analogen, ebenso wie sich in hybriden Bildformen der fotografische Aktionsraum vergrößert. [...] Katarína Dubovská (*1989 in Ružomberok, Slowakei) stellt mit »Unknown Plant at the Edge of the Arctic« ihr gewähltes Medium selbst infrage. Sie löst die Fotografie von ihrer referentiellen Bindung und lässt sie frei in Raum und Form flottieren. Die Basis der Installation ist die visuelle Erforschung einer unbekannten Pflanze. Ein Gitterraster verspricht Halt für die flüssig gewordenen Abbilder der Pflanze, die in der Verschränkung von digitalen Bildgebungsverfahren und neu erfundenen hybriden Aufzeichnungsformen entstehen. Durch das experimentieren mit pflanzlichen und fotografischen Aggegratzuständen reflektiert Dubovská über Materialität und Abbildfunktion des Mediums im postfotografischen Zeitalter [...].


Christin Müller: Ein Blick zurück und nach vorn. Erkundungen von Grenzgebieten der Fotografie.
, In: Im Moment. Neue Forschungen zur Fotografie., Hg. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2020




Mira Anneli Naß


Hybride Prozesse einer posthumanistischen Fotografie.

In: UPATEOA_hybrid. Katalog, Hg. Künstlerhaus Lauenburg, 2019

Mit der Konzeption der »Unknown Plant at the Edge of the Arctic« (2017/18) erschuf Katarína Dubovská eine Denkfigur für ihr künstlerisches Schaffen, mithilfe derer sie es vermag, eine bildnerische Auseinandersetzung mit zentralen Begrifflichkeiten ihres jungen Werks zu führen. In der Sezierung und Freilegung von (digitalen) (Bild-)Strukturen scheint die Künstlerin das emanzipatorische Potenzial angelegt zu sehen, sich von sowohl technologischen als auch sozialen hierarchischen Ordnungen loszulösen: Im Zuge stetiger, beinahe haptischer diskursiver Auseinandersetzungen mit dem Material fallen verzweigte Bildbestandteile auseinander und finden sich in neuen, hybriden Systemen wieder. Der Ausstellungsraum wird als wissenschaftlicher sowie künstlerischer Experimentierraum charakterisiert, in welchem Dubovská Kunst generell als forschende Methode und ihre Arbeit im Spezifischen im Kontext einer Archäologie des (digitalen) Bildes verortet. Ausgehend von dieser fragmentarischen Werkgruppe, deren Narrativ sie in »UPATEOA_hybrid« (seit 2018) semantisch verankert und fortlaufend erwei-tert, analysiert sie eine ständige sowohl künstlerische als auch gesellschaft-liche Neuvermessung der Grenzen zwischen diversen Formen von (leben-diger und handelnder) Materie und ihrer kulturellen Repräsentation. Dabei helfen ihr unter anderem sogenannte modulare Experimente, in welchen sie anhand einzelner Bildelemente wie Farben oder Materialien die Beziehung zwischen bildnerischem Anschauungsobjekt und (fotografischem) Messinst-rument mittels bildhauerischer Strategien analysiert.

Die Arbeit »UPATEOA_hybrid (Nervous Files / Dataset: Contact Method)« (2019) setzt sich aus 89 Digitaldrucken auf Affichenpapier zusammen. Mit einem Format von jeweils etwa 42 x 29,7 cm erstrecken sich die mit Kleister angebrachten farbig-monochromen Drucke wie (Bild)Dummys oder analoge Kontaktbögen über die Ausstellungswand und erinnern gar an die kunsthistorische Tradition der Petersburger Hängung. Die Anordnung in einem 60er Raster referiert dabei auf die Rasterung der Drucktechnik, durch welche die verschiedenen Tonwerte von Farben wiedergegeben werden. Über die gliedernde Funktion eines solchen Rasters impliziert sie zudem (analoge oder virtuelle) räumliche Orientierung und Ordnung. Das traditionelle Affichenpapier spielt ferner selbstreferenziell mit dessen ursprünglicher Verwendung: Auch Blaurückenpapier genannt und hauptsächlich in der Außenwerbung eingesetzt, verhindert dieses das Durchschimmern darunterliegender (Plakat-)Schichten. Einerseits grenzt es sich somit a priori hermetisch von seiner Umgebung ab und lässt keine kontextualisierenden Bezüge zu, während sein Einsatz im Ausstellungsraum andererseits jedoch für die Verhandlung von und den Transfer zwischen (sozialem und bildlichem) Innen und Außen gewertet werden kann. Über diese experimentelle Arbeitsweise erforscht Dubovská zudem ihr eigenes, sich stetig vergrößerndes künstlerisches Bildarchiv. Aus diversem (fotografischem) Bildmaterial unterschiedlicher Arbeitsprozesse und der Durchschnittsfarbigkeit deren jeweiliger RGB-Werte, setzt sich so ein digitales Archiv von etwa 310 Datensätzen zusammen. Entgegen erster starrer Zuschreibungen, lassen sich bei näherer Betrachtung zudem ganz individuelle Bildstrukturen erkennen, die sich vor allem über die architektonische Konstitution der Trägerwand erschließt, gleichzeitig Spuren des aufgepinselten Kleisters offenbart und damit die Frage aufwirft, wie die einzelnen Elemente eines Bildes Bedeutung zu generieren vermögen.

Ähnliche Strategien zeichnen auch die Arbeit »UPATEOA_hybrid (Image Mass, Imprinted)« (2019) aus: Was auf den ersten Blick wie eine großformatige farblose Leinwand oder eine abstrakte Fotografie erscheint, ist vielmehr die hybride Zusammensetzung verschiedenfarbiger fotografischer Bildfragmente. Mit Waschmittel angereichert, transformieren sich die Testdrucke und Skizzen in einem schmalen Aluminiumrahmen wie in einer Laborschale in eine Bildmasse aus unterschiedlichen Grautönen. Auffallend ist indes auch hier eine beinahe haptische Oberflächenstruktur, die erneut die formende händische Arbeit am Material offenbart und digitale Bilder als Werkstoff künstlerischen Schaffens auch bildhauerisch definiert. Im Sinne eines vitalistischen Moments stehen beide Werkbeispiele damit als Dokumente einer Aktion für eine vorangegangene, performative Handlung – trotz der scheinbar gegenstandslosen, lediglich monochromen Bildoberflächen. Die Künstlerin verweist damit jedoch weniger auf ein ständiges Anhaften und Wiederkehren des Referenten, als vielmehr auf die Notwendigkeit von Visualität zum Verstehen komplexer digitaler Strukturen. Als postfotografische Praxis (re)materialisieren sich die codierten Datensätze, die als Zahlenraster dem virtuellen Raum und allen in ihm befindlichen digitalen Teile zugrunde liegen. Beide Arbeiten machen so beispielhaft sichtbar, wie die Künstlerin ein posthumanistisches Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, Natur und Technologie zu thematisieren vermag. Dubovská evoziert dies auch durch den Einsatz der in verschiedenen Tönungen stetig widerkehrenden Farbe Lila: Zwischen Blau und Rot entzieht diese sich starrer Strukturen. Unter anderem frei von tradierten geschlechtlichen Zuschreibungen und damit auch sozialen Taxonomien, kann Lila als Farbe eines fluiden und heterogenen Gefüges definiert werden, das sich in ständigen Aushandlungsprozessen befindet. Mithilfe einer lila Emulsion aus gelösten farbstoffbasierten Inkjet Tinten überträgt die Künstlerin diesen visuellen Querschnitt auf den technologischen Raum.

Im Sinne geologischer Schichten unternimmt Katarína Dubovská in »UPATEOA_hybrid« exemplarisch den Versuch, einen Teil der enormen Bildmengen, die die Erdoberfläche bedecken, in einen Bezug zueinander zu setzen. So charakterisiert sie das Verhältnis von Bild und Welt zueinander; weniger als ein gegensätzliches denn als Varianten voneinander, die zudem zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Wahrheitskonstrukten divergieren. Dubovská schafft es auf diese Weise, Kritik an einer scheinbar universellen Vernunft als normative Kategorie und der ihr zueigenen tec-nologischen Apparaturen (als Instrumente der Macht) zu üben. Vielmehr definiert sie den (fotografisch-bildnerischen) Apparat als grenzziehende Praxis: In der Tradition des agentiellen Realismus nach Karen Barad markiert sie ihn als eine Vielzahl von materiell-diskursiven Praktiken und Materie selbst weniger als Gesamtheit fester Objekte und Körper mit fixen Grenzen und Eigenschaften denn als prozesshafte Phänomene (Vgl. Karen Barad in: Agentieller Realismus, Suhrkamp, Berlin, 2012). Mithilfe eines performativen Moments unternimmt Katarína Dubovská in ihren Arbeiten den Versuch, eine künstlerische Transferleistung komplexer digitaler, medialer und sozialer Strukturen in verschiedene Modi der Visualität zu leisten. So untersucht sie das Verhältnis von analogem und digitalem Bild, von Gestischem und Datenmaterial, von Subjekt und Objekt, und inszeniert (digitale) Bildwelten als reale körperliche und sinnlich-tastende Erfahrung.




Ein Baugerüst, große zusammengeknüllte Papierkugeln, durchsichtige Plastikbehälter mit farbigen Flüssigkeiten darin, vier Videos auf Flachbildschirmen waren unter andere in der Installation
»Intertwined Conditions« zu sehen [...]. Geboren 1989 in der Slowakei, studierte sie Fotografie. Katarína Dubovská versteht sich als bildende Künstlerin, die mittels laborhaften Experimentierens Bilder hinterfragt. Die Flüssigkeit in den Plastebehältern war Druckfarbe. Ihr vertrauen wir, wenn sie uns ein Bild zusammensetzt, das uns dann bekannt vorkommt. Aber was sehen wir? Wie sehen wir? Einfach klingende Fragen, die in der gegenwärtigen Bilderflut alles andere als leicht zu beantworten sind. Sie bilden den Ausgangspunkt der künstlerischen Produktion von Katarína Dubovská. In ihren bisherigen Arbeiten setzt sie sich mit dem fotografischen Bild auseinander, verarbeitet Fotos, und fragt so nach der Strategie, die hinter der zeitgenössischen Bilder- und Informationsflut liegt — welche Nachhaltigkeit besitzen sie? Diese Codes, die sich auf einem Träger befinden und uns etwas zu sehen vorgaukeln, interessieren die Künstlerin. Sie möchte sie sicht- und wahrnehmbar machen. Somit können Bilder wieder in ihre Einzelteile zerlegt und in neue Strukturen geordnet werden [...].

Britt Schlehahn: Was bleibt vom digitalen Bild., In: Kreuzer 01/2021